Chaos Communication Camp | 2019
Kurz nachdem wir auf Ranch gezogen sind, fand in der Nachbarschaft, und über meinem Geburtstag (10. bis 14. August 2011) das Chaos Communication Camp auf dem Flugplatz Finowfurt statt. Aus familiären Gründen konnten wir halt nicht teilnehmen — aber seit dem ich darüber gelesen hatte, wusste ich, dass ich da mit meiner Familie hin will. Dass ich eines Tages meinen Kindern den Zugang zur Hacker-Community ermöglichen möchte …
In diesem Jahr waren die Tickets in Windeseile im Vorverkauf ausverkauft und dennoch habe ich am Morgen des 24sten Augusts auf Twitter ein „ich habe ein Ticket über“-Post gefunden und mich sofort gemeldet. Wir konnten uns schnell auf einen Preis einigen und mit der Hilfe eines bekannten Coder-Dojo Mentors aus der cBase gelang es mir noch ein zweites Ticket zu kaufen.
„Kinder. Zieht euch bequeme Schuhe an!“
„Warum?“
„Wir gehen campen …“
Auf halber Strecke, Richtung meiner Heimatstadt, liegt Mildenberg und am Rande der Ortschaft, der Ziegeleipark. Hier hat der CCC eine kleien Nation aufgebaut, eine Enklave der Nerd-Kultur. Mitten in Brandenburg. Und, dass man nicht mehr in Brandenburg ist, sondern in einem utopischen Staat voller Idealisten und Weltverbesserer bekommt man schon am Eingang mit: free WiFi auf dem ganzen Gelände, überall DECT und LED und elektro autos. Ich habe auf dem Weg vom Parkplatz zum Einalss 21 Tesla gezählt - und kurz hinter dem Tor ein Charger, umringt von noch mal einem Dutzend Tesla, ZOË, eSmart, eGolf, …
Auf dem Camp gab es eine massive Auswahl an Vorträgen in Zelten, benannt nach weiblichen Ikonen der Wissenschaft (Curie, Meitner, …). Nahezu alle Vorträge sind auch als Video-Aufzeichnung verfügbar - eine Leistung des VOC (Video Operations Center). Aber auch das WOC (Waffle Operations Center) verdient eine besondere Erwähnung, nicht nur für unfassbar viele Waffel-Wortwitze (z.b. verkündeten sie den „Waffelstillstand“ als der Teig aufgebraucht war und sie transportierten neuen Tag in Behältern mit der Aufschrift „Waffelfähige Massen-Verköstigungs-Masse“), sondern auch für frei-Waffeln mit Mate.
Unsere Tochter war angetan von den vielen Frauen und Mädchen auf dem Camp, den Haecksen, die ein eigenes Village mit spannendne Workshops auf dem Camp hatten. Auch die Sportfreunde der Sperrtechnik waren mit Witz und Sachverstand dabei, jungen Besucher*innen ihren Sport näher zu bringen. Mit einer Haarnadel die Spardose öffnen? Kein Problem! Unsere Tochter bewies das größte Fingerspitzengefühl und konnte die meisten Vorhängeschlösser in kürzester Zeit öffnen. Und ich fühlte mich an meine Zeit im Club zurückversetzt und an damals, als ich aus Fahradspeichen in Papas Keller mein eigenes Werkzeug geschliffen fürs LockPicking geschleift hatte …
Es gab mehrere fantastische Vorträge zum Thema Umweltschutz & Klimakatastrophe, aber auch technik-tehmen wie Hacking Containers and Kubernetes waren großartig.
Was einmal als Namensschild begann, ist inzwischen ein ausser kontrolle geratenes Großprojekt namens „Badge“. Vor vier Jahren als software defined radio unter dem Namen rad01
veröffentlicht, war es in diesem Jahr eine Smart-Watch mit dem Namen card10
, dass selbstverständlich programmiert werden kann. Ein eigens dafür eingerichtetes Wiki reichte natürlich nicht aus. Es gab sessions und workshops zum card10
und ich muss gestehen: ich habe meins zwar zusammengebaut, aber den bootloader unter MacOS zu compilieren war mir auf dem Camp nicht möglich - allerdings ist es gerade auf dem Camp auch zweifelhaft, einen precompiled bootloader von „irgend jemanden“ auf das gerät zu spielen. Warum? Hacker und Nerds sind zwar „die guten“, aber auch immer für einen Spaß zu haben - und mit großer Neugier versuchen Sie immer alle möglichen Daten zu aggregieren. So ist dieser Typ mit einer RFID-Antenne über das Gelände gelaufen und hatte nach eine Stunde eine unfassbare Datenbank mit „Leute die auf dem Camp waren, kauften auch diese Produkte“-Datensätzen. Ob nun H&M Hosen, DELL-Computer, Handys, Schuhe oder gar Kredit-, EC-, Mensa-, oder sonstige Plastik-Karten. Alles funkt seine ID ungeniert in den Äther. Soweit, so bekannt. Aber in der Demonstration: erschreckend.
In der Nacht haben wir auf den Hängematten im „Zauberwald“ gelegen, wurden von der Disko-Kugel mit millionen Lichtern angefunkelt und haben die Musik genossen. An uns fuhren Sofas vorbei, Menschen auf resp. in mono-wheels, und vor allem aber Menschen mit LED in allen Formen und Farben.
Per Laser wurde der Schornstein des Ziegeleiparks mit Botschaften bespielt und man hatte das Gefühl, dass die vertretene Sub-Kultur gar nicht zur Ruhe kommt, sondern nur einen anderen Zustand annimmt.
Ich könnte noch so viele Details aufschreiben, so viele Eindrücke beschreiben. Aber was ich vor allem sagen möchte ist: es war wunderbar - mithin der schönste Tag diesen Jahres.
Und.
Ich freue mich auf das nächste Mal!